Absolut VODKA
ABSOLUT Kunst
 
Frauke Boggasch

It’s time to take your house party to sparkling new levels.

„Eine Sammlung von Gegenwartskunst kann heute dieselbe Tristesse verbreiten wie der Duty-Free-Bereich eines internationalen Flughafens, in dem sich die immer gleichen Luxusboutiquen aneinanderreihen.“[1]

„Würdest Du Dich dort bewerben?“[2]

Bestimmte Förderungsmöglichkeiten scheiden für mich von vornherein aus, so widerspricht die Nähe zu politischen Parteien bei gewissen Arbeitsstipendien meinem Autonomieanspruch, auch wenn dieser bekanntlich nie absolut sein kann und selbst bei großer Sorgfalt immer Ausnahmen und Löcher beinhaltet. Und irgendwo muß das Geld ja herkommen -  selbst staatlich finanzierte Stipendien unterliegen einer bestimmten Kulturpolitik – durch diese Art der Förderung begibt man sich unweigerlich auf den Weg zum Staatskünstler (ich inkludiere mich)…
(Die grundsätzliche Frage nach dem „Woher“ des Geldes potentieller Käufer und Kunstsammler schwebt natürlich gleichermaßen über den finanziellen Aspekten des Künstlerdaseins und wäre ebenfalls eine wichtige Untersuchung!)
Was aber ist mit Förderungen anderer Art, künstlerischen Kooperationen wie zum Beispiel mit jenem Konzern, der an der perfekten, respektive absoluten Realität bastelt: In An Absolut World there is Absolut Vodka  – and Absolut Art!


[1]Julia Voss, Hinter weißen Wänden / Behind the White Cube, Berlin 2015, S. 127
[2]www.absolutart.com lautete der dazugehörende link! Mit Dank an L. -  meiner Lesegruppenhälfte und Sparring-Partnerin – für die Zusendung!

Ich tippe also www.absolutart.com in meinen Browser und los geht es:

Ich habe weiße
Wände voller Kunstwerke

Button: Shoppe Kunstwerke

Großartig. Darauf einen Vodka.

Sie kennen das Gefühl: die Herausforderung weiße Wände mit Kunst zu füllen, die Sie stolz präsentieren können. Auch wir kennen dieses Gefühl. Deshalb haben wir Absolut Art lanciert, um die Lücke zwischen gestaltenden Künstlern und den Leuten, die sie sammeln, zu schließen.

Eines fällt unmittelbar auf: es sind nicht nur die erfolglosen, eher unbeachteten Künstlern, die man auf diesen Seiten antrifft – viele bekannte Namen ohne finanzielle Sorgen gehen munter und in voller Absicht seltsame Kooperationen ein und werden damit wieder zu (unfreien) Auftragskünstlerinnen.

„Die Bank, die Kunst als Visitenkarte versteht, und der hoffnungsfrohe junge Besserverdiener, der sich das Kunstwerk passend zur Wandfarbe sucht, entsprechen einander perfekt. Auf dem Weg von der Innenwelt der Superreichen in die Einfamilienhäuser der Gewinner-Mittelständler wird die Kunst buchstäblich zur Konfektionsware. 

Die Kunst soll zum Lebensstil und zur Einrichtung passen, aber auch zum indirekten Selbstbildnis des stolzen Besitzers taugen. Man ist nicht mehr so sehr von der Macht der Kunst fasziniert, als vielmehr davon, wie man Macht über sie bekommen kann: Kunst ist der neueste verheißungsvolle Planet der „inneren Landnahme“ des Kapitalismus geworden.“[1]

We’ve scoured through exciting new artwork so you can give your art lover a one off piece that’ll be sure to impress.

Deshalb soll Absolut in diesem Text als eine von vielen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit großen Konzernen stehen, als ein Beispiel für die folgenden generellen Überlegungen zu Finanzierungsmöglichkeiten des Künstlerdaseins heute.

Im Jahr 1981 erschien Arthur C. Dantos Buch Die Verklärung des Gewöhnlichen, worin er der Frage nachgeht, was den Wert eines Kunstwerkes eigentlich genau definiert und somit ein Kunstwerk von materiell gleich aussehenden „bloßen Dingen“ unterscheidet: am Ende ist es der Künstler samt seiner Haltung, die das Kunstwerk als solches legitimiert. In unserer heutigen Zeit, in der problemlos alles zur Kunst erklärt werden kann, tritt dadurch die Person des Künstlers wieder in den Mittelpunkt.
„Wenn der Stil der Mensch ist, ist die Größe des Stils die Größe der Person. Die Struktur des Stils ist wie die Struktur einer Persönlichkeit. Und einen Stil erkennen zu lernen ist nicht einfach eine Klassifizierungsübung. 


[1]Markus Metz und Georg Seeßlen, Geld frisst Kunst – Kunst frisst Geld. Ein Pamphlet, Berlin 2014, S. 107

Einen Stil erkennen lernen ist wie das Erkennenlernen des persönlichen Empfindungsvermögens oder des Charakters einer Person.[1]

Weiter im Absolut Art Kosmos, ich möchte wissen, wer sich denn unter „alle Künstler“ verbirgt.
Die Unterüberschriften lauten:

Die von uns geförderten Künstler
Herausragenden Künstler (sic)

Künstlerinnen aus Berlin, Los Angeles und Stockholm, alphabetisch nach Vornamen sortiert.
Die Auswahl erscheint wie im Gemischtwarenladen, scheinbar keiner Systematik folgend. Ein kleines Portrait des jeweiligen Künstlers samt Ausschnitt seines Werkes, dazu der Name und die Ortsangabe. Wählt man die Kategorie Alle Kunstwerke – Unsere Art Szene sieht man das angebotene Kunstwerk, welches von zwei Händen in die Kamera gehalten wird. Ich wähle Berlin aus und bekomme 84 Kunstwerke angeboten, nach Preis aufsteigend sortiert: die erste präsentierte Arbeit ist Pet Woman (Staged) #2 von Juliette Bonneviot zu einem Preis von 170 € ohne Rahmen, die letzte dort angebotene Arbeit stammt von Gregor Hildebrandt: o.T. (M.D.) für 2.205 € ohne Rahmen.
Gleich darunter befindet sich der Button EINKAUFEN. Einige der Künstlerinnen präsentieren sich selbst und erklären ihren künstlerischen Ansatz sowie die für Absolut hergestellte Arbeit in einem kurzen Werbefilmchen, andere werden nur mit Text vorgestellt. Bei manchen erscheinen zudem am Ende der Seite alle bisherigen Kunstsammlerinnen jenes Künstlers.


[1]Arthur C. Danto, Die Verklärung des Gewöhnlichen. Eine Philosophie der Kunst, Frankfurt a. Main 1999, S. 314

 

Alles sehr catchy aufgemacht, der House Party Punch ruft!
(Videos einer künstlerischen Selbstpräsentation sind der neue Trend: Crowd-funding von Künstlerinnen, freiwillige Selbstpromotion auch ohne Marke im Rücken. Siehe dazu einen neuen großartigen Text nach einer Performance von Mysti: https://holdmyhairback.wordpress.com/2016/03/28/da-da-daddy-hasselhoff/)

Viele Jahre war das Streben nach größtmöglicher Unabhängigkeit und Ungebundenheit gleichbedeutend mit künstlerischer Selbstdefinition. Heutzutage scheinen sich die Parameter verändert zu haben, statt Sehnsucht nach Autonomie trifft man auf Kollaborationen und ein wieder erwachtes Bemühen um Zugehörigkeit. 
Die Jahre der Postmoderne waren gekennzeichnet durch ein anything goes, die Kunst nutzte die Kunstgeschichte praktischerweise als unendliche Fundgrube und unterwarf sich keinerlei avantgardistischem Anspruch mehr. Sie war als postmoderne Kunst selbst ihrem Autonomieprinzip gegenüber unabhängig geworden:
„Statt dem Autonomieideal entsprechend nach wie vor ihren einzigen Zweck in der gesellschaftlichen Zwecklosigkeit zu sehen, bedarf sie nun außerhalb ihrer selbst liegender, heteronomer Zweckbestimmungen, um fortexistieren und sich weiterentwickeln zu können.“[1]
Willkommen im postautonomen Zeitalter!

 


[1]Michael Lingner, Die Kunst der Gesellschaft, Perspektiven postautonomer künstlerischer Praxis, nachzulesen unter ttp://ask23.de/draft/archiv/ml_publikationen/kt92-10.html

In seiner lesenswerten Analyse Die Kunst und das gute Leben. Über die Ethik der Ästhetik schreibt Hanno Rauterberg: „Herkömmliches und Ungeahntes, das Obligate und das Obstinate, die Ausnahme und die Regel finden zusammen und in der Folge durchlebt die Kunst eine Phase der Normalisierung. Sie suspendiert ihre bislang so hoch geschätzte Freiheit“.[1]

Die Künstlerliste der Absolut Art Galerie bietet eine bunte Mischung unterschiedlichster Arbeiten und ich entdecke (wie oben bereits beschrieben) einige Positionen, die ich in diesem Kontext nie vermutet hätte – bei anderen wiederum ist mir deren super-affirmativer Ansatz bekannt gewesen. Völlig ohne Wertung zu allem Ja zu sagen, alles mitzunehmen, jede Chance zu nutzen, die sich einem bietet – ist nicht das auch ein radikaler Ansatz, eine sich jeder Vereinnahmung verweigernde Haltung?
Andererseits ist der durch einen Verkauf mögliche rein finanzielle Gewinn, den diese Art der Kooperation bietet, doch eher überschaubar. Worum geht es den beteiligten Künstlerinnen noch? Ist allein die Tatsache, hierfür ausgewählt worden zu sein aus der schier unübersichtlichen Menge an Künstlern schon Anerkennung genug, eine Auszeichnung, die die Teilnahme legitimiert?
Ich konnte für die Berliner Auswahl nur zwei Kuratorinnen herausfinden – und die tatsächliche Anzahl der Bewerbungen bleibt natürlich ein Geheimnis… 

 


[1]Hanno Rauterberg, Die Kunst und das gute Leben. Über die Ethik der Ästhetik, Berlin 2015, S. 10

Jedes Mal, wenn wir eine lokale Kunstszene betreten, arbeiten wir mit renommierten Kuratoren zusammen und suchen jeden Künstler persönlich aus und dokumentieren ihre Umgebung und Arbeit per Video und Text.

Und inwieweit kann man durch die künstlerische Arbeit selbst eine mögliche Indienstnahme durch die Geschäftspartner (subversiv) unterwandern?

Hanno Rauterberg bringt diesen Gedanken auf folgenden Punkt: „Der Künstler ist sich treu, indem er sich immer wieder untreu wird.[1]“ Im heutigen Kunstsystem, in dem jeder Künstler jederzeit alles machen kann, wird folglich das Image der Künstlerin als verbindendes und damit oft auch erst sinnstiftendes Element wichtig. Die Haltung des Künstlers, sein öffentliches Bild, wird zum Gradmesser seiner zahlreichen Ausdrucksformen, seine künstlerische Identität wird zum Wertmaßstab.
Ich denke weiter darüber nach, warum man sich von Absolut fördern lassen will, welche Überlegungen zugunsten einer Teilnahme eine Rolle gespielt haben könnten, schließlich ist eine große schwedische Vodkamarke ja nicht so schlimm: es stecken keine wie auch immer getarnten Rüstungsfirmen dahinter, keine (dubiose) Großbank, keine NS-Vergangenheit. Und doch geht es auch hierbei um das Prinzipielle, um eben jene Ethik der Ästhetik. Und die ist nun einmal untrennbar an die Person des Künstlers geknüpft. Es geht ja dem Absolut Konzern auch nicht nur um das an sich ehrenwerte Brennen von Hochprozentigem. Anders herum erträgt man diese  absolute Welt wohl nicht mehr ohne die Hilfe des Vodkas…  


[1]Hanno Rauterberg, Die Kunst und das gute Leben, a.a.O., S. 55

Um von Absolut Art angeboten werden zu können, ist eine Eigenbewerbung möglich. Es werden aufgrund der großen Anzahl an eingehenden Bewerbungen allerdings nur diejenigen eine Antwort erhalten, die von den bestellten Kuratoren als interessant genug eingestuft werden.

Wir haben den Prozeß des Entdeckens und die Lieferung mit Hilfe von intuitivem Design und Technologie modernisiert. Mit Absolut Art haben Sie einen Ausgangspunkt moderne Kunst, vielversprechender und berühmter Künstler, aus den verschiedensten boomenden Kunstszenen der Welt, zu entdecken und zu sammeln.

Wir reisen direkt zur Quelle und arbeiten direkt vor Ort mit den Künstlern zusammen, um signierte und nummerierte Limited-Edition-Kunstwerke zu produzieren.
 Alle Editionen werden in Stockholm produziert und werden signiert, gerahmt und fertig, zusammen mit einem Authentizitätszertifikat, innerhalb von 2-5 Tagen, direkt zu Ihnen nach Hause geliefert.

Was für ein Konzern steckt hinter all dem Absoluten?
Absolut Art entstand erst im Jahr 2015, die Firma Absolut wurde ursprünglich 1879 in Åhus, Schweden gegründet und 2008 vom französischen Konzern Pernod Ricard aufgekauft.
Seit 2009 gibt es zudem den Absolut Art Award (im Folgenden von mir mit AAA abgekürzt) hervorgegangen aus „30 Jahren kreativer Zusammenarbeit mit Künstlern“. 

Auch wenn der Vergleich mit dem Future Generation Art Prize hier vielleicht etwas größenwahnsinnig erscheint, so sind auch beim Absolut Art Award ähnliche Strukturen zu entdecken – und beide Preisgelder unterscheiden sich nur in der Währung: der Future Art Prize ist mit 100.000 Dollar dotiert, beim Vodka-Preis gibt es diese Summe in Euro. Der Oligarch Pinchuk hat mit der Gründung des Future Generation Art Prize im selben Jahr 2009 vor allem durch seine hochkarätige Jury sowie die „Patron Artists“ eine perfekt durchorganisierte Veranstaltung samt neuem System erfunden: „Er kaufte Kunst – und den Kunstbetrieb dazu. Zum Generaldirektor des Pinchuk Art Center ernannte er Eckhard Schneider, der bis 2008 das Kunsthaus Bregenz geleitet hatte. In die Jury des „Future Generation Art Prize“ berief er die Spitzen des musealen Kunstbetriebs, darunter etwa Richard Armstrong, den Direktor der New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation and Museum, Glenn D. Lowry, den Direktor des Museum of Modern Art, oder Alfred Pacquement, den Direktor des Musée national d’art moderne im Centre Georges Pompidou in Paris. Zahlreiche klamme Kuratoren von Kunstgroßereignissen tauchen ebenfalls befristet in der Jury auf, darunter etwa Carolyn Christov-Bakargiev, die Leiterin der Documenta 13, oder Massimiliano Gioni, Kurator der vergangenen Kunst-Biennale in Venedig.“[1]

Die Jury des AAA wurde im vergangenen Jahr ebenfalls von Massimiliano Gioni geleitet, mittlerweile stellvertretender Direktor und Ausstellungsdirektor am New Museum in New York, sowie Kunstdirektor der Mailänder Nicola Trussardi Foundation.


[1]http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/ukrainischer-kunstoligarch-was-macht-eigentlich-victor-pinchuk-12808503.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

In ihrem 2015 erschienen Buch Hinter den weißen Wänden / Behind the White Cube stellt Julia Voss genau diese Frage nach den Verbindungen: „Warum sollten Direktoren der einflussreichsten Museen der Welt Interesse haben, Mitglied dieser Jury zu sein? Weil sie auf eine Gegenleistung hoffen. Sie geben ihren guten Namen – und den ihrer Institutionen – um zukünftig Unterstützung zu erhalten. Diese kann viele Formen annehmen.“[1]

Bereits 2012 erschien im Handelsblatt ein Artikel, der die Bedeutung bzw. den erhofften Distinktionsgewinn, welcher eine Beschäftigung mit Kunst für Unternehmen bietet, anhand von sechs Beispielen analysiert[2]: „’Kunst und Kultur sind zentrale Bedürfnisse der Gesellschaft und gehören zu den wesentlichen Bedingungen für eine fruchtbare Entwicklung der Wirtschaft in Freiheit und Verantwortung’, sagt Deutsche Bank-Aufsichtsratschef Clemens Börsig, der dem Kulturkreis ( = Kulturkreis der deutschen Wirtschaft, der zum Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gehört) vorsitzt.“ Klar, daß es für Unternehmen in ihrer „Leidenschaft für Kunst“ nicht nur um eine besonders lukrative Art der Geldanlage geht, die Kunst ist ebenso ein wichtiges Marketing-Intrument:„Wer sich für Kunst und Kultur engagiert, dem geht es um mehr als um Absatz und Gewinn, der tut etwas für die Menschen, für die Gesellschaft. Das Stichwort heißt „Corporate Cultural Responsibility“ – die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, indem ein Unternehmen als Mäzen in der Welt des Musischen auftritt.[3]


[1]Julia Voss, Hinter den weißen Wänden, a.a.O., S. 107 f
[2]http://www.handelsblatt.com/panorama/kultur-kunstmarkt/kunstfoerderung-der-ideelle-wert-der-kunst/6250702.html
[3]ebd.

Dieser Kulturkreis hat 2012 wiederum ein Buchprojekt herausgegeben, welches sich ganz der Kulturpflege der „Corporate Collections“ widmet.

Und das wiederum erinnert an die frühere Macht der Kirchen – der wichtigsten Auftraggeber in der Kunstgeschichte.

Übrigens ist es kein Wunder, daß die einflußreiche PR-Agentur Sutton für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit von Absolut zuständig ist: „Promoting Creativity“ weltweit, mit Büros in London, New York und Hong Kong – und sämtlichen Messen/Galerien/Sammlungen als Kunden.

„Art gives the business personality“[1]!

Darauf noch einen Vodka. Cheers!

 

 




[1]Stephen McCoubrey, Kurator der UBS Art Collection, zitiert nach Alastair Sooke, „Corporate Collections: the greatest art you can’t see“, 2014. http://www.bbc.com/culture/story/20140814-the-greatest-art-you-cant-see

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